Die Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (EPA) befürworten die Ablehnung spezieller Kriterien für die Neuheit von Reinheitserfindungen. Aber die Richtlinien bleiben unangemessen strikt (T 0043/18).
Die Entscheidung in T 0043/18 stimmt insbesondere mit der Entscheidung T 1085/13 aus dem Jahr 2018 überein. Dementsprechend kann die Neuheit nur durch eine klare und eindeutige Offenbarung im Stand der Technik zerstört werden (G 2/88, G 2/10).
Die Neuheit von Reinheitserfindungen – Entscheidung der Beschwerdekammern
In der Vergangenheit hat das EPA bei der Beurteilung der Neuheit für die Reinheit von zusammengesetzten Erfindungen eine höhere Messlatte angelegt. Eine kürzlich ergangene Entscheidung der Beschwerdekammern hat bestätigt, dass dieser Ansatz den übergreifenden Grundsätzen der Neuheit widerspricht. Die Entscheidung in T 0043/18 stimmte insbesondere mit der Entscheidung T 1085/13 von 2018 überein. Demzufolge kann die Neuheit nur durch eine klare und eindeutige Offenbarung im Stand der Technik zerstört werden (G 2/88, G 2/10). Bisher galten Reinheitserfindungen nur dann als neu, wenn eine hohe Reinheit mit herkömmlichen Mitteln nicht erreicht werden konnte. Die Beschwerdekammern haben dieses Erfordernis inzwischen verworfen. Da es sich eher um eine Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit als der Neuheit handelt. Leider sind die EPA-Richtlinien immer noch nicht auf dem gleichen Stand wie die Beschwerdekammern.
Die Beurteilung der Neuheit einer beanspruchten Erfindung
Bei der Beurteilung der Neuheit einer beanspruchten Erfindung obliegt es normalerweise dem Patentamt (oder dem Einsprechenden), Beweise für eine zumindest implizite Offenbarung des beanspruchten Gegenstands im Stand der Technik zu finden (G 2/88, G 2/10). Historisch gesehen wurde die Neuheit der Reinheit jedoch als Sonderfall betrachtet. Man ging davon aus, dass die zunehmende Reinheit herkömmlich war. Die Beweislast wurde daher auf den Anmelder verlagert. Dieser musste nachweisen, dass alle früheren Versuche, den bestimmten Reinheitsgrad durch herkömmliche Reinigungsverfahren zu erreichen, gescheitert waren (T 0990/96, T 0219/98, T 0455/13, T 360/07).
Unserer Kanzlei sind keine Entscheidungen der Beschwerdekammer bekannt, die der Entscheidung T 1085/13 in Bezug auf die Ablehnung des in T 0990/96 aufgestellten Kriteriums der Neuheit ohne Erfindungswert für die Reinheit widersprechen. Ebenso wie in T 0043/18 wurde die Argumentation von T 1085/13 in T 1914/15 unterstützt.
EPA-Richtlinien weiterhin nicht vereinbar
Die Prüfungsrichtlinien des EPA hingegen sind nach wie vor nicht mit T 1085/13 und damit mit G 2/88 und G 2/10 vereinbar. Fast drei Jahre nach der Entscheidung in T 1085/13 heißt es in den Richtlinien weiterhin: „Eine bekannte Verbindung wird nicht allein dadurch neu, dass sie in einem anderen Reinheitsgrad vorliegt, wenn dieser Reinheitsgrad mit herkömmlichen Mitteln erreicht werden kann (siehe T 360/07)“ (G-IV, 7).
Angesichts der klaren Argumentation in G 2/88 und G 2/10 und ihrer Anwendung in T 1085/13 und jetzt T 0043/18 ist es unklar, warum die EPA-Richtlinien weiterhin an dieser Formulierung festhalten. Die Richtlinien hinken historisch gesehen den Änderungen in der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern hinterher. Patentinhaber und Anmelder von Reinheitserfindungen können nur hoffen, dass die Prüfer und Einspruchsabteilungen bereit sind, die Richtlinien zu ignorieren und stattdessen der Rechtsprechung des EBA und der Beschwerdekammern zu folgen.
Unsere Empfehlung
Anmelder und Patentinhaber sollten im erstinstanzlichen Verfahren auf die in diesem Beitrag genannte Rechtsprechung verweisen. Falls die erste Instanz dieser Auffassung nicht folgt, entsprechend Beschwerde erheben und Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragen. Spätestens in der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren geben die Beschwerdekammern die freundliche Empfehlung, den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückzunehmen und geben der Beschwerde statt. Dementsprechend wird ein Patent erteilt, beziehungsweise ein bereits erteiltes Patent aufrechterhalten.
Bei weiteren Fragen oder Unklarheiten, steht die Jostarndt Patentanwalts AG gern zur Verfügung, ein Erstkontakt ist kostenlos.
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